Überschrift MH
 
 
 
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Das ehemalige Zisterzienserinnenkloster Marienhausen

   Um 1500 standen im Mainzer Raum 16 Zisterzienserinnenklöster unter der Aufsicht des Klosters Eberbach. Im Rheingau waren bis zum beginnenden 19. Jahrhundert immerhin drei Frauenklöster des Ordens angesiedelt, Gottesthal bei Oestrich, Tiefenthal bei Martinsthal und Marienhausen bei Aulhausen .

…cella sororum Clarevallensis ordinis in loco, qui Husen dicitur, so lautet die erste urkundliche Erwähnung des Klosters Marienhausen vom 9. April 1189. Seinen Namen verdankt es der dörflichen Ansiedlung, die bereits 1108 als Husen erscheint und seit 1210 nach dem Töpferhandwerk der dort Ansässigen als Ulenhusen o. ä. bezeichnet wird (lat. aula, olla: Topf).

   Die Gründung des Klosters liegt weitgehend im Dunkeln; nur eine Urkunde aus dem Jahre 1189 bietet Informationen: Der Mainzer Erzbischof Konrad I. teilt mit, er habe bei einer Visitation festgestellt, dass die Nonnen in Husen  allzu sehr unter den Bedrückungen ihres Vogtes, Giselbert von Rüdesheim, zu leiden hätten. Daher wird das junge Kloster von der Vogtei befreit und direkt dem Mainzer Erzbischof  unterstellt.

       Ausschnitt aus der „Karte des Rheingau und des Kammerforstes“ vonAndreas Trauttner ca.1768 

 

Das genaue Gründungsdatum des Klosters ist nicht überliefert. Doch müssten um 1183 spätestens in Aulhausen Nonnen gelebt haben. In der Geschichte des Klosters Kumbd (Hunsrück) heißt es: Eberhard, Sohn eines pfalzgräflichen Burgmannen aus Bacharach, habe in Kumbd ein Zisterzienserinnenkloster stiften wollen. Mit einer Vollmacht des Mainzer Dompropstes habe er sich zu einem Frauenkloster jenseits des Rheins mit Namen Ulnhausen begeben und einige Nonnen für den Gründungskonvent erbeten. 

1219 beurkundete Erzbischof Siegfried II. die von ihm vollzogene Weihe der Klosterkirche in Aulhausen und schenkte den Nonnen aus diesem Anlass ein 60 Morgen umfassendes Waldstück im Kammerforst. 1232 schenkte Erzbischof Siegfried III. dem Kloster einen Neubruch im Kammerforst und 1241 eine weitere, noch zu rodende Waldparzelle. Doch der Eindruck wirtschaftlichen Aufschwungs täuscht. Schon im Jahre 1229 hatte Papst Gregor IX. die Erzbischöfe von Mainz und Trier aufgefordert, Aulhausen vor gewissen Übeltätern (malefactores) zu schützen, die das Kloster widerrechtlich bedrängten. Im weiteren Verlauf des 13. Jahrhunderts scheint sich die wirtschaftliche Situation gebessert zu haben.
 
 
Das Kloster profitierte von einer Reihe großzügiger Stiftungen; ein lukratives Zollprivileg gewährte 1329 der Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg als Administrator von Mainz: Die Befreiung erstreckte sich auf die Zollstätten Mainz, Geisenheim, Bingen, Ehrenfels und Lahnstein, sie galt rheinauf- und rheinabwärts für Wein, Getreide und andere Waren. 
 
Die Zisterzienserinnen von Aulhausen waren im Umland begütert. Der beträchtliche Grundbesitz wurde selbst bewirtschaftet oder war verpachtet. Das Kloster betrieb eigene Wirtschaftshöfe; aufgeführt sind u. a. Haus und Hof mit Keltern und Mühle nebst drei weiteren Häusern in Ober-Heimbach, Höfe in Nieder-Heimbach und Grolsheim, einen Hof in Lorch, eine Mühle in Aulhausen und weitere Häuser in verschiedenen anderen Orten sowie eine große Zahl von Weinbergen und Äckern. 
 

Ein (heute allerdings verschollener) Wappenstein an der ehemaligen Mühle des Klosters

Gütergrenzstein des Klosters

Als das Kloster 1453 seinen Hof und Weinberge in Diebach verpachtete, wurde unter den Rebsorten auch rueßeling (Riesling) erwähnt. …iß sy frentsche, rueßeling, huntsche ader roit ader sunst wylcherley ander win da inne waschende were... Dies war die zweite Erwähnung des Rieslings nach der Rüsselsheimer Kellereirechnung von 1435, spätere Nennungen: 1464 im Moseltal, 1477 im Elsass, 1490 in Worms und 1511 in Pfeddersheim. 

      Das ehemalige Weingut des Klosters in der Oberstraße in Rüdesheim

 
Im Jahre 1352 entschied Erzbischof Gerlach einen Streit zwischen den Nonnen und der Dorfbevölkerung von Aulhausen, indem er die klösterliche Schafhaltung auf 500 Tiere begrenzte. 

                                                                          Der Schafshof (Ausschnitt aus einer Karte von 1735) HHStAW 101/453

In seinem Mahnschreiben von 1359 bezeichnet sich Gerlach als denjenigen, dem die Nonnen zuvörderst Gehorsam schuldeten. Offensichtlich war ihr Kloster noch immer der Aufsicht des Mainzer Erzbischofs unterstellt. Erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts scheint der Abt von Eberbach Paternitätsrechte über das Kloster in Aulhausen erlangt zu haben.

Ein weiterer Eberbacher Abt, Martin Rifflinck, nahm seine Visitationspflichten sehr ernst und war zudem auf sorgfältige schriftliche Dokumentation bedacht. Seinen Aufzeichnungen verdanken wir wichtige Einblicke in das Klosterleben Aulhausens. Als er das Kloster im Jahre 1505 visitierte, ließ er sich die Rechnungen der letzten zwölf Jahre vorlegen. Einnahmen und Ausgaben an Bargeld, Wein, verschiedenen Getreidearten und Erbsen sind im Visitationsprotokoll detailliert aufgeführt; in aller Regel überwogen dabei die Einnahmen. In den Aufzeichnungen des Klosters Eberbach ist auch zum ersten Mal die Wahl einer Äbtissin in Aulhausen vermerkt. 

 
 
    

            Wappen der Äbtissin Maria Anna Krepplin (urkl. Nennung in der Zeit zwischen 1757 - 1792)

 
Wie alle Rheingau-Klöster blieb Aulhausen nicht von den Auswirkungen des Bauernkrieges verschont. Am 20. Mai 1525 mussten Äbtissin und Konvent eine Verschreibung ausfertigen, die unter anderem die Abschaffung der konfliktträchtigen schefferey (Schafzucht) vorsah. Auf längere Sicht war sogar die Auflösung des Klosters vorgesehen: Nach der Niederschlagung des Aufstandes blieben die eingegangenen Verpflichtungen zwar ohne Konsequenzen. Dennoch scheint sich das Kloster nur mühsam von den Folgen des Aufstands erholt zu haben. Unter den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges hatte Marienhausen ebenfalls schwer zu leiden.
Erst im späten 16. Jahrhundert setzte sich für das Kloster mehr und mehr die bis heute gebräuchliche Bezeichnung „Marienhausen“ durch. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Kloster mehrmals baulich verändert. Bei der Kirche können wir davon ausgehen, dass hier noch Bausubstanz aus der Anfangszeit erhalten ist. Da bis jetzt nur wenige bildliche Darstellungen bekannt sind, ist eine Beschreibung der Gebäude aus der Zeit von 1803 sehr hilfreich, um eine Vorstellung vom Aussehen des Klosters zu erhalten. 
 
 
  
Das Jungfräuliche Closter Mariähausen bei dem Ort Aulhausen, ½ Stund[e] von Assmannshausen und 1 Stund[e] von Rüdesheim in einem Thal zwischen Bergen gelegen, besteht in einem dauerhaften Abteibau mit 2 Flügel, 2 Stockwerk hoch, worunter ein geräumiger gewölbter Keller; daran stößt das gleichfalls 2stöckige Schlafhaus der geistlichen Jungfrauen, welches den dritten Flügel formiert, an dieses stößt die Verhältnismäßige Klosterkirche, über dem Weeg zu dieser ist ein etwa 1 bis 1½ Viertels Morgen großer Gemüs[e]- oder Küchen Garten.
Diese Beschreibung deckt sich mit der noch heute vorhandenen, wenn auch modifizierten, Bausubstanz sowie mit einer zeichnerischen Darstellung um 1905/06, die das vermutliche Ergebnis der Umbaumaßnahmen von 1750 widerspiegelt.
Trotz aller Unruhen und Sorgen konnte Marienhausen bis zum Ende der Französischen Revolution seinen Fortbestand sichern. Erst mit den Napoleonischen Kriegen war das Schicksal der Abtei besiegelt. Während Kloster Eberbach und das Zisterzienserinnenkloster Tiefenthal noch im selben Jahr aufgehoben wurden, blieb Marienhausen vorläufig von der Säkularisierung verschont – anscheinend wegen der geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen die Nonnen nach Auskunft der herzoglichen Inspektoren lebten.
Erst 1811 setzte in Nassau eine zweite Säkularisierungswelle ein, der auch Marienhausen und Gottesthal zum Opfer fielen. Am 5. Februar jenes Jahres gab Fürst Friedrich August von Nassau-Usingen seinen Aufhebungsbeschluss bekannt; am 21. März teilte Benedikt Dorn, der letzte Beichtvater des Klosters, dem Mainzer Generalvikariat mit: Die anbetungswürdige göttliche Vorsehung hat jenes harte Schicksal, das viele tausend Klöster früher getroffen, auch über das Kloster Mariähausen kommen lassen. Am 25ten Februar erschiene eine Herzoglich-Nassauische Commission und erklärte dasselbe für aufgehoben.
Nach der Säkularisation wurden die Klostergebäude samt dem noch vorhandenen Mobiliar an die Familie des Freiherrn Hans Karl von Zwierlein zu Geisenheim verkauft. Die Klostermühle wurde mit zwei anliegenden Wiesen in öffentlicher Versteigerung von Franz Jakob Strieth aus Aulhausen erworben. Die Schäferei und die dazugehörigen Äcker wurden an Jakob Bremser und Georg Pfeiffer verpachtet. 
Noch bevor das Kloster geschlossen wurde, bewarben sich die Gemeinden und Pfarrer um das Inventar der Klosterkirche. So erhielt die Gemeinde Wehen auf mehrmalige Eingaben für ihren Kirchenbau „die Orgel, eine Glocke, die Uhr, Kanzel und Kirchenstühle“. 
Wenn auch viele Gesuche abschlägig beschieden wurden, so wurden doch zahlreiche Gemeinden mit Kircheninventar bedacht: Zwei Marienhäuser Altäre gelangten nach Hofheim-Marxheim, die Monstranz kam nach Bleidenstadt, ein Nebenaltar, der Muttergottesaltar, mit drei Statuen kam in die Pfarrkirche von Aulhausen.

       Der Altar in der Pfarrkirche St. Petronilla, 
          vermutlich ein Nebenaltar aus dem Kloster MH.
            Die Authentizität der Statuen wird zurzeit erforscht

 
 
Neuzeit und Neubeginn
Im Jahre 1888 benötigte die in Marienstatt/Westerwald untergebrachte „Diözesanknaben-rettungsanstalt zum hl. Joseph“ ein neues Domizil. Zu diesem Zweck erwarb der Bischof von Limburg die Gebäude des ehemaligen Klosters Marienhausen, die fortan zur Unterbringung der „Diözesan-Erziehungsanstalt“ unter Leitung des Prälaten Matthäus Müller dienten. 

                    Innenhof von Marienhausen vor 1915, Prälat Matthäus Müller bei den Jugendlichen  

 
Was die Säkularisation überdauert hatte, wurde 1915 in Folge eines Brandes von Kloster und Kirche vernichtet, der Wiederaufbau zog sich bis ca. 1930 hin. Unter diesen schwierigen Bedingungen übernahmen 1924 die Salesianer Don Boscos Marienhausen; in den vom Brand verschont gebliebenen Nebengebäuden galt es ca. 250 Kinder und Jugendliche zu betreuen. 
 
 
  


Nach dem Brand von Juni 1915. Blick auf die Brandstelle (von der Hauptstraße aus gesehen)

Kleines Foto, Westliche Giebelwand der Kirche

 

1939 wurde Marienhausen von den Nationalsozialisten beschlagnahmt; in dieser Zeit diente es als Kindererholungsheim, Landdienstlehrhof und Reservelazarett. Erst 1945 konnte das „Jugendheim Marienhausen“ seine Arbeit wieder aufnehmen. 1991 gab der Salesianer-Orden die Trägerschaft des Jugendheimes auf; sämtliche Aufgaben und Liegenschaften übernahm das benachbarte St. Vincenzstift.
Ende 2008 wurde Marienhausen im Sinne der „Haager Konvention“ als schützenswertes Kulturgut anerkannt. Seit 2010 wird die noch geweihte Kirche von Marienhausen renoviert. Neben Substanz erhaltenden Maßnahmen wird der Kirchenraum künstlerisch vom „Atelier Goldstein“ aus Frankfurt umgestaltet und soll weiterhin, als geistlicher Mittelpunkt von Marienhausen, etwas von der langen Geschichte von Kirche und Kloster in die heutige Zeit übermitteln.
 
 
 

Reinhold Nägler
Hauptstraße 100
65385 Rüdesheim am Rhein